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8. April 2020
Podcast #17 – Zusammenhänge zwischen Psyche, Gehirn und Immunsystem
In dieser Folge sprechen wir mit dem Psychoneuroimmunologie Professor Dr. Christian Schubert. Er erklärt, wie sich Angst und Unglücksgefühle auf unser Immunsystem auswirken, wie sie die Anfälligkeit für virale Erkrankungen begünstigen und welchen massiven Einfluss soziale Kontakte auf unsere Gesundheit haben. Außerdem besprechen wir, ob Video Calls ein Ersatz für persönliche, soziale Kontakte sind und er gibt Tipps, wie ein Zusammenleben von Paaren und Familien auf engem Raum in dieser aktuellen Lage funktionieren kann.
Transkription der Folge
00:00:53
Speaker 1: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Forever Young. Ich sitze heute hier per Video, zugeschaltet mit Prof. Dr. Dr. Christian Schubert. Christian Schubert ist ein studierter Arzt. Er hat Medizin und Psychologie studiert, hat eine Ausbildung zusätzlich zum Psychotherapeut, hat darüber hinaus auch als Assistenz im Bereich Chemie und Biochemie gearbeitet, um dann letztendlich irgendwann mal am Aufbau des Labors für Psychoneuroimmunologie teilzunehmen, und ist heute Prof. Dr. Dr. an der Universität in Innsbruck. Herzlich willkommen, Christian
00:01:30
Speaker 2: Genau.
00:01:31
Speaker 1: Hallo, lieber Christian, ich komme gleich zu der ersten Frage, die ein bisschen was mit deinem Werdegang zu tun hat. Du bist ein Psychoneuroimmunologe. Das war einer der ersten exotischen Berufe, die ich im Lanserhof kennengelernt habe, als wir uns vor ungefähr neun Jahren das erste Mal getroffen haben. Kannst du uns einen Hörenden erzählen, was denn ein Psychoneuroimmunologe ist bzw. was die Psychoneuroimmunologie denn genau ist.
00:01:58
Speaker 2: Die Psychoneuroimmunologie erweitert die Medizin, sie erweitert die Medizin um den psychischen und den sozialen Aspekt.
00:02:06
Speaker 1: Es wird ja oftmals beobachtet in der derzeitigen Biomedizin, dass es häufig um technische Aspekte geht, die Maschine Mensch im Mittelpunkt steht und häufig vergessen wird, dass wir aus mehr bestehen als nur aus technischen und maschinellen Bestandteilen.
00:02:21
Speaker 2: Und das schafft jetzt die Psychoneuroimmunologie als moderner Wissenschaftszweig, der Medizin, der Psychosomatik, der die Verbindung aufmacht zwischen den weichen Faktoren der Geisteswissenschaft, Soziales, Sozialwissenschaften und den harten technischen Aspekten unseres Körpers bis in die Zelle hinein, bis in den Zellkern hinein wird nachgewiesen, dass psychische Faktoren, soziale Faktoren Einfluss haben auf unsere Gesundheit und Krankheit. Der weiter Bogen ist jetzt gespannt zwischen Kultur und Genetik.
00:02:57
Speaker 2: Total spannend, total spannende Bereiche. Ich finde das besonders eindrucksvoll wie du in einem deiner Vorträge, die ich mal gehört habe, wie du im Grunde eigentlich Rückschlüsse auf die, zum Beispiel psychologische Stressbelastung eines Menschen ziehen kannst, indem du dir nur sein Blut anschaust, also ohne den Menschen tatsächlich kennengelernt zu haben, ist das soweit richtig?
00:03:18
Speaker 2: Das ist grundsätzlich richtig, aber das ist genau das, was ich nicht tue. Wir können durchaus im Blut gewisse Stoffe nachweisen, die einen Hinweis darauf geben können, dass eine psychische Entgleisung vorliegt, das eine starke Stressbelastung vorliegt. Da gebe ich dir total recht. Aber ich würde auf jeden Fall das Gespräch, die Beziehung mit dem Patienten vorziehen, um dahinter zu kommen, ob der Mensch belastet ist oder nicht belastet ist, und würde erst sekundär gucken, was im Blut oder im Urin oder wo auch immer stattfindet, um da sozusagen eine Art Proof zu machen, aber niemals umgekehrt. Ich würde nie von unten nach oben denken, sondern von oben nach unten.
00:04:01
Speaker 2: Wenn wir jetzt mal auf die aktuelle Situation kommen und auf die ganze Corona Situationen, da sind ja sehr viele Maßnahmen mit verbunden wie Ausgangssperre, Kontaktverbot, Selbstquarantäne. Was bedeutet das für den Menschen im Augenblick?
00:04:16
Speaker 2: Vielleicht vorab: Ich bin überhaupt nicht einverstanden mit diesen harten Maßnahmen, die sehr stark aus der Medizin kommen, die ich gerade beschrieben habe, die sehr maschinell ist, die das Psychische, Soziale überhaupt nicht mitnimmt in die Rechnung, sondern hauptsächlich mal kurzfristig hart und technisch reagiert. Das heißt, das Virus wird in den Blickpunkt gesetzt. Es ist ein böses Virus. Die Medien berichten ja auch schon in dieser Form von dem, was uns da befallen hat. Und es wird nicht die Rechnung gemacht mit dem Wirt – also im wahrsten Sinne des Wortes. Der Wirt ist letztlich das Entscheidende. Es heißt der Mensch, der mit dem Virus konfrontiert wird, und das ist mir einfach zu wenig verdeutlicht. Langsam aber kommen auch Informationen, dass es bestimmte Menschen betrifft, die hier wirklich in Gefahr sind, nämlich vorerkrankte und alte Menschen, die eben eine Immunsuppression sehr häufig haben, also eine Verminderung jener Immunbestandteile, die sie eigentlich schützen müssten, mit dem Coronavirus und dem neuen Coronavirus umzugehen. Das heißt kurzfristig: Ja, wir können die Leute in Quarantäne schicken. Das sind Fiktion, auf Distanz gehen. Aber das ist mir weit, weit zu wenig und sehr kurzfristig gedacht. Wir werden meines Erachtens mit starken, nachhaltigen Folgen umgehen lernen. Wenn die Menschen dann zunehmend unglücklich werden, in sozialer Isolation sich befinden, besonders jene, die alt und isoliert sind. Die werden stark leiden unter der Situation. Das ist mir nicht ausreichend passiert.
00:05:55
Speaker 1: Das heißt also Menschen, die sowieso schon isoliert sind, die alten, die sowieso schon häufig wenig soziale Bindungen haben? Dass man die jetzt noch weiter isolieren, ist im Grunde dein Punkt.
00:06:09
Speaker 2: Wir haben eigentlich zwei Bereiche. Der eine Bereich sind die alten Menschen und die Vorerkrankten, die wir natürlich schützen müssen.
00:06:14
Speaker 2: Und die müssen wir in Quarantäne bringen. Das sehe ich absolut so, da bleibt nichts anderes übrig. Aber alle anderen, die Gesunden, die zum Teil nur sehr leichte Symptome oder überhaupt keine Symptome entwickeln bei einer Corona Virus Infektion, die sozusagen ebenfalls in Quarantäne zu stellen, das halte ich für falsch. Die können sich durchaus schützen über Masken. Man merkt, da ist etwas in Entwicklung, und ich finde, man hat schon vieles davon wissen können, wenn man sich mit der Idee auseinandersetzt, dass es eben nicht nur das Virus ist, sondern auch der Wirt, um den wir uns kümmern müssen und das wir wirklich gucken müssen, wer wirklich betroffen ist.
00:07:09
Speaker 1: Da spielt ja auch eine ganz große Angst eine Rolle, und ich glaube, gelesen zu haben, dass Angst natürlich auch eine Auswirkung auf das Immunsystem hat. Richtig?
00:07:21
Speaker 2: Absolut richtig. Wir wissen besonders viel über den Einfluss von Depression auf das Immunsystem. Sind Menschen depressiv, sind depressiv erkrankt, sind aber auch unglücklich und gestresst, dass es hier zu einer fundamentalen Verschiebung der Immunologie geht, der Funktionalität in Richtung zelluläre Aktivität, die uns eigentlich davor schützt, gerade mit viralen Erkrankungen mit intrazellulären Infektionen umzugehen, dass diese zelluläre Immunaktivität unter Stress heruntergefahren wird und im Gegenzug eine Hure alle Aktivitäten aufgefangen wird, die interessanterweise diese zelluläre Produktivität auch noch hält. Das heißt wir haben eine Verschiebung im Organismus und diese Verschiebung unter chronischen Stress ist fatal, wenn es um den Schutz geht vor viralen Infektionen, also Belastung, Stress, Depression und durchaus auch Angst, das sind Faktoren, die unser Immunsystem exakt in die Richtung lenken, die wir nicht wollen.
00:08:26
Speaker 1: Wenn wir auf das Thema soziale Kontakte zurückkommen.
00:08:29
Speaker 1: Das heißt, wenn ich dich richtig verstanden habe, hat auch ein Mangel an sozialen Kontakten eine negative Auswirkung auf unsere Gesundheit.
00:08:37
Speaker 2: Also unbedingt unbedingt. Genauso ist es. Überhaupt, die Psychoneuroimmunologie, aber auch die Psychosomatik der letzten Jahrzehnte hat ganz klar gezeigt, dass soziale Beziehungen das Gesundheitselexir sind. Es geht nichts drüber. Das ist einer der höchsten Gesundheitsfaktoren, die wir uns überhaupt vorstellen können. Aufgrund einer sehr maschinell orientierten Medizin sind genau die Faktoren aber in unserer Medizin nur selten diskutiert. Es werden dann eher andere Aspekte, stoffliche Aspekte in die Rechnung hineinbezogen. Schadstoffe, Viren, Bakterien. Aber letztendlich was von fundamentaler Bedeutung ist, sind soziale Beziehungen und soziale Unterstützung. Soziale Integration sind Hauptfaktoren. Selbst das Umarmen hat eine enorme Wirkung, wenn es um den Immunschutz geht. Das heißt, das Leben von Menschen ist ein Zeichen für soziale Integration. Wenn man häufig von anderen umarmt wird, wissen wir stärker, dass es die Immunaktivität und verringert die Atemwegsinfektionen.
00:09:39
Speaker 1: Das ist alles bereits sehr spannend. Reicht es denn grundsätzlich, wenn man zumindest das Glück hat, dass man nicht alleine zu Hause ist, sondern wenn man zumindest zu zweit zuhause ist mit seinem Partner?
00:09:49
Speaker 2: Ja, absolut. Das kommt natürlich auf die Beziehungsqualität an. Absolut.
00:10:01
Speaker 2: Aber ich würde jetzt mal sagen, selbst wenn die jetzt nicht auf höchstem Niveau ist, ist auf jeden Fall eine Zweierbeziehung besser als keine. Das würde jetzt dem Gesundheitselexir Beziehung absolut entsprechen. Es geht sogar noch weiter. Wir wissen gerade aus der epidemiologischen psychosomatischen Forschung, dass Menschen, die verheiratet sind, die in längeren Beziehungen, Partnerschaften leben, deutlich gesünder sind und länger leben. Das ist ganz klar gezeigt. Wer dazu auch noch Kinder hat, Familienverband, der hat dann noch bessere Karten. Das heißt in der jetzigen Situation, in einer Situation, wo man sich einigermaßen gut versteht in der Familie, würde ich jetzt mal sagen ist es ein ganz großer Faktor mit dieser Geschichte umzugehen.
00:10:52
Speaker 1: Wenn man dieses Glück nicht hat oder vielleicht Beziehungen nicht ganz so gut funktioniert, warum auch immer, gibt es ja jetzt die Alternative der Video Calls. Man sieht es immer häufiger, dass Leute sich zum gemeinsamen Essen oder zum Weintrinken oder sonst was per Videokonferenz verabreden. Würdest du sagen, dass es den gleichen Effekt hat wie ein persönliches Treffen?
00:11:15
Speaker 2: Auf keinen Fall. Ich würde spontan auf jeden Fall mal sagen auf keinen Fall. Ich denke, es fehlt die Ganzheitlichkeit, auch hier wieder.
00:11:25
Speaker 2: Wir haben es mit einer Maschinenseite zu tun, die jetzt immer wieder Einzug hält in unsere Beziehungsstrukturen, dass wir auf diese technisierten Beziehungs Bereiche gehen und die Zeit nicht finden und die Muße nicht finden, indirekte Interaktion zu treten, Face to Face. Das mag für manche Bereiche gut sein. Kann man in Details gehen, wenn es um Videokonferenz geht. Wenn es um Einstellungsgespräch geht, die man kurzfristig führen muss und wo man eben auch den anderen entlasten möchte und eben nicht zu viel ausdrücken möchte. Aber wenn es um eine bedeutungsvoller, emotional bedeutungsvolle Interaktion geht, dann ist auf jeden Fall Face to Face dem Video Call, der Telefonie vorzuziehen. Gut hat das aber nicht jeder. Es gibt vielleicht Menschen, die ihr isoliert sind und auch einsam sind.
00:12:17
Speaker 1: Dann ist Video auf jeden Fall besser als nichts. Keine Frage.
00:12:21
Speaker 2: Das heißt, es ist für mich keine Frage, dass ich in einen Video Call gehen würde, wenn ich nicht die Möglichkeit habe, face to face mit einem Menschen in Beziehung zu treten, wie das jetzt beo Covid der Fall ist.
00:12:34
Speaker 1: Es gibt ja wirklich Leute, die wirklich in dieser echten Quarantänesituation sind, dann in einer Beziehung sind. Gibt es vielleicht Tipps, die du geben kannst, wie man diese gemeinsame Zeit zu zweit , die eine Herausforderung für die Beziehung sein wird, egal, auf in welcher Qualität sie sich befindet – gibt es etwas, was man machen kann, um diese Zeit gemeinsam gut zu überstehen?
00:13:00
Speaker 2: Bei der Frage fällt mir ein, dass ich sehr häufig auch in der Psychotherapie versuche zu erarbeiten mit meinen Klienten, und zwar letzten Endes Autonomie zu schaffen. Psychologische Autonomie. Das bedeutet
00:13:21
Speaker 2: zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Situation, wenn man aufeinander angewiesen ist, wenn man nicht außer Haus darf, wenn man zu zweit oder in Familienkontext miteinander lebt, ruhig auch mal Auszeiten zu gewähren. Das heißt Freiheiten zu gewähren, dem anderen auch mal seine Ruhe zu haben, sich zurückzuziehen. Manche Menschen vertragen das nicht. Sie fühlen sich gekränkt, wenn man nicht dauernd aufeinander hockt. Es gibt Typen, unterschiedliche Typen in Beziehungen, und es gibt ja durchaus Menschen, die Schwierigkeiten haben, wenn sich jemand mal separiert. Und gerade in so einer Situation ist es absolut notwendig, dass man auch mal seinen eigenen Raum schafft, um zur Ruhe zu kommen und zu sich zu kommen, seine private Intimsphäre zu haben. Und ich denke, das ist so ein Teil, der Autonomie hat, die man auch leben kann. Dann kann man auch akzeptieren, dass ein Mensch sich mal separiert und dann wieder zusammenkommt. In Kontakt treten, die eigenen Probleme, reden über die Emotionen, die Ängste reden, emotional expressiv zu sein, das heißt durchaus zuzulassen, emotional zu sein. Das halte ich für super wichtig, wenn es um ein gemeinsames Leben geht, dass man auch den Partner dazu benutzen kann, sozusagen als Möglichkeit, sich emotional auszudrücken.
00:14:42
Speaker 1: Sehr schön. Manchmal kommen ja auch noch mal Kinder dazu, für die, je nach Altersgruppe, diese Zeit auch besondere Herausforderung ist.
00:14:50
Speaker 2: Gerade wenn man so viel zuhause sein muss und keine Freunde treffen kann, also keine anderen Kinder treffen. Kann du da vielleicht auch Ratschläge, was man mit Kindern machen kann in dieser Zeit?
00:15:06
Speaker 2: Das ist ein Thema, weil letzten Endes ist das natürlich höchst individuell die ganze Geschichte. Und ich denke, hier werden sehr viel Familien, glaube ich, auch konfrontiert mit dem, was schon ohne Coronavirus problematisch war und jetzt sich verschärft. Also eins ist mir auf jeden Fall mal sehr, sehr wichtig zu sagen. Ich denke, es gibt ja Betreuungspersonen, die auch vor Coronavirus sehr aktiv waren, ich rede jetzt vom Kindergarten, ich rede jetzt von Schule – Kinder, Jugendliche, die in die Schule gehen, wo ich sehr dafür plädiere, dass Lehrer ihre Aufgabe weiterhin auch durchführen. Das heißt also jetzt nicht sozusagen abgekapseln, wil Schule existiert nicht und deswegen gibt es auch keinen Lehrer-schüler-verhältnis. Es ist durchaus möglich über digitale Medien. Und da kommt jetzt der große Vorteil ins Spiel, Kinder auch in Unterhaltung und Beschäftigung zu halten, Aufgaben zu geben. Das können nur Lehrer machen. Das können Eltern nicht in der Form, weil die Kinder natürlich rebellieren und hier interaktive Probleme auftreten, die über die Lehrer überhaupt nicht stattfinden. Lehrer haben eine Autorität in dem Zusammenhang, die sollte auch in dem Zusammenhang deutlich werden. Als ob sozusagen eine Art von Schule stattfindet. Das wäre für mich auf jeden Fall notwendig, um Kinder sozusagen in Beschäftigung, Unterhaltung zu halten. Und was den sonstigen Familienbetrieb betrifft, letztlich das zu tun, was man normalerweise mit Kindern tut. Entweder man tut es mit ihnen oder tut’s eben nicht. Das meine ich, mit dem Sie vorhin angesprochen haben, wie weit man sowieso ein Klima und Kultur hat, innerhalb der Familie mit Kindern artgerecht umzugehen, liebevoll und verbunden umzugehen oder eben dazu neigen, Kinder vor den Fernseher zu setzen, sie zu separieren, zu isolieren und ihr eigenes Leben zu führen. Das kann dann langfristig nur zu Problemen führen. Und die können dann so massiv sein, dass auch hier die Warnung ausgesprochen ist, dass auch die Gefahr von Gewalt und Missbrauch jetzt gerade in so einer Zeit, wenn Familien auf engem Raum sind, steigen wird. Die Anrufe bei den Hotlines, bei Gewaltereignissen nehmen zu. Das ist bereits bekannt, und ich denke, hier gibt es auch gar keine Entschuldigung. Das heißt, wenn übergriffe stattfinden, entweder den Frauen gegenüber oder den Kindern gegenüber, dann ist Covid keine Ausrede. Auch hier muss eindeutig entsprechende Hilfe organisiert werden, sei es polizeilich, klinisch, Frauenhäuser, Beratungsstellen. Das ist es mir wichtig, das immer wieder zu betonen. Hier gibt es nicht eine ntschuldigung oder Tipps, die man jetzt raten kann, damit man das aushält. So etwas ist nicht auszuhalten. So etwas muss sofort und konsequent beantwortet werden.
00:17:56
Speaker 1: Das ist natürlich schon jetzt ein extremes Beispiel. Aber genau da kommen wir doch mal zu einem anderen Thema. Grundsätzlich hattest du gesagt, dass es auch eine Gefahr von Depressionen, vielleicht sogar gibt. Was würdest du sagen? Man hört ja sehr häufig, dass Menschen, die krank werden oder eine Krankheit entwickeln, es als letztes selbst diagnostizieren können. Aber wo würdest du sagen? Was sind Anzeichen, dass mir die Situation zusetzt? Was sind so erste erste Punkte, wo man vielleicht nervös werden sollte, wenn man sagen würde Ich muss hier irgendwann mal was tun.
00:18:31
Speaker 2: Klassische Stresszeichen. Das sind für mich zum Beispiel Schlafstörungen.
00:18:37
Speaker 2: Wenn Menschen beginnen, Ein- oder Durchschlafstörungen zu entwickeln, wenn es ein bisschen länger dauert einzuschlafen und man beginnt zu grübeln.
00:18:44
Speaker 2: Gerade im Zusammenhang mit existenziellen Krisen und Ängsten, die Menschen jetzt durchmachen im Arbeitsbereich, ist es durchaus möglich, dass Menschen eine so starke Stresssituation kommen, dass man das durchaus auch am Schlaf zum Beispiel sehen kann. Für mich sind Schlafstörungen sowieso psychisch, da gibt es seltenst irgendwelche anderen Gründe. Deswegen Schlaf ist etwas sehr Wichtiges in dem Zusammenhang. Dann auch andere körperliche Zeichen, Stresszeichen. Menschen neigen dazu, zum Beispiel zu somatisieren, wenn sie im Stress sind. Sie beginnen Hautauffälligkeiten zu haben, Magen-Darm-Probleme, sich zu entwickeln, durchaus auch im Herz-Kreislauf Bereich zu spüren, dass vielleicht doch das Herz öfters mal rast. Wenn man Angstsymptome entwickelt, Schweißausbruch, Stimmungsschwankungen entwickelt, vielleicht mal Gefühlsausbrüche hat im negativen Sinn Impulsdurchbrüche hat oder auch im Sinne von Zurückziehen. Isolation, in sich gehen, Entfremdung zunimmt, das sind alles Aspekte, die retraumatisieren, nicht unerwähnenswert. In dem Sinne, dass Menschen vielleicht früher schon mal was erlebt haben, wo Isolation und Eingesperrtsein Thema waren. Jetzt ist man eingesperrt in Quarantäne und isoliert. Und da kann durchaus auch eine Art Retraumatisierung stattfinden, Albträume sich entwickeln, Gedanken sich aufdrängen, die auf alte Traumata hinweisen. Durchaus kann man das schon sehr früh spüren. Müdigkeit ist ein wichtiges Thema, wenn das Immunsystem beginnt, sich zu regen, man in Stresssituationen erschöpft reagiert, das sind Hinweise Stresssituationen.
00:20:49
Speaker 1: Ich glaube was auch besonders ist an dieser ganzen Home Office Situation, dass man natürlich die Trennung zwischen dem Berufsleben und dem Privatleben, was ja sowieso dank der Smartphones leider immer weiter verschwimmt, noch mal stärker zunimmt. Gibt es dann etwas, wo du sagen würde, okay, darauf sollte man schon achten, wenn man jetzt im Homeoffice sich organisiert?
00:21:14
Speaker 2: Ja, absolut. Ich weiß nicht, ob du das kennst, dieses herrliche Video eines Südkorea Experten, der bei BBC mal ein Interview geführt hat und aus seinem Büro heraus und plötzlich live vor Millionenpublikum plötzlich im Hintergrund die Tür auf und seine kleine Tochter kommt ins Zimmer.
00:21:37
Speaker 2: Und er versucht, sie wegzudrücken. Und dann rollt auch noch ein Säuglingherein in seinem Gerät, in dem er laufen lernt, und danach kommt dann noch die koreanische Frau, die versucht, sie alle einzusammeln. Das ist so ein herrliches Bild, was man bei Home Office nicht tun sollte, nämlich gestört werden zu können, also ungestört sein ist hier von fundamenataler Wichitgkeit. Neben den ganzen technischen Geräten, die gut eingerichtet gehören, Internetverbindung und Schutz. Aber sehr, sehr wichtig sozial gesehen, dass es eine Privatsphäre ist und dass man trennen zwischen Job und privat sein. Das halte ich für fundamental wichtig. Bestimmt nicht von der Couch aus vorm Fernseher oder wo auch immer sein Home Office zu betreiben. Dann werden Bereiche, die normalerweise mit Freizeit in Verbindung stehen und der Beruf verschwimmen. Das halte ich für nicht gut, da kann man auch keine Struktur reinkriegen. Ich finde überhaupt Struktur – halte ich für sehr wichtig, dass man so tut, als ob man in die Arbeit geht, sich entsprechend strukturiert, aufsteht, sein Frühstück zu sich nimmt, anzieht und dann entsprechend in den Job geht, nämlich in sein Büro und von dort aus alle Tätigkeiten vornimmt. In der Psychotherapie betone ich immer Rollenkonfusion, das die so gefährlich ist. Also wenn Menschen ihre Rollen verletzten, Söhne zu Männern werden, zu Ehemännern, zu pseudo Männern, die ausgenutzt werden für eine Situation, für die sie nicht geschaffen sind. Sie sind Kinder und Jugendliche und sind keine Quasi-Ehemänner, in einer einer Rollenkonfusion – das ist hoch toxisch. In verschiedensten Bereichen, wenn Mütter zu Freundinnen werden, wenn Schwestern zu Freundinnen werden das ist es nicht. Sie haben ihre Rolle, eine ganz bestimmte Rolle, ihnen zugewiesen durch die Natur. Und die sollte man auch entsprechend verbinden.
00:23:49
Speaker 1: Das heißt also, wenn wir jetzt auf das Home Office zurückkommen, dann heißt es wirklich sich, auch wenn man vielleicht keinen Schreibtisch zu Hause hat, sollte man sich zumindest einen Arbeitsplatz einrichten. Und wenn es die nicht genutzte Seite des Tisches ist oder sonst was? Ich glaube, das Schlimmste, was man machen kann, ist wahrscheinlich vom Bett aus arbeiten, weil das wahrscheinlich genau zu dem Punkt kommt, den man, worunter dann letztendlich die Schlafqualität leidet, weil man dann tatsächlich einen der wichtigsten Rückzugsorte, die man überhaupt hat, für sich, für die Regeneration mit Arbeit kontaminiert eigentlich in dem Sinne.
00:24:26
Speaker 2: Ja, ich persönlich kann es gar nicht machen, weil ich einschlafen würde.
00:24:33
Speaker 1: Das heißt, wir haben jetzt im Grunde genommen eigentlich gelernt, wie wichtig das ist, dass man, dass man sich abgrenzt und dass man vor allem versucht, diese ganze Angst und diese negativen Energien fernzuhalten. Was würdest du jetzt sagen, was sind so die Dinge, die mir helfen können, positive Gefühle zu entwickeln bzw. zu behalten?
00:24:57
Speaker 2: Da bietet der Tag daheim einige Möglichkeiten: Wenn man das Privileg hat, ein Garten zu haben und im Garten zu arbeiten, dann gibt es ja viele Menschen, die das lieben, die diese handwerkliche Tätigkeit schätzen. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Man kann Filme sehen, die einen unterhalten, nicht unbedingt nur runterziehen, sondern Filme, die einen auch in der Laune ein bisschen aufleben lassen. Ähnliches gilt für Musik. Wer Musik liebt, hat da natürlich ein Lebenselixier.
00:25:33
Speaker 2: Also Kunst sind Aspekte, die ich sehr, sehr favorisiere, wenn es um Auseinandersetzung geht mit gesunder Auseinandersetzung, mit Lebensrealität.
00:25:44
Speaker 2: Lachen, reden, kommunizieren, miteinander sein. Aber wie gesagt, auch Grenzen waren und durchaus auch mal sich zurückziehen. Und wie gesagt, Dinge tun, die man persönlich für sich brauch, wo man weiß, das mag vielleicht ein anderer nicht gerne sehen, wenn man das tut, aber man möchte es für sich selber tun. Vielleicht auch mal Video spielen, Dinge einfach, die Freude machen.
00:26:09
Speaker 1: Dann freue ich mich, dass du so gut gelaunt bist. Ich hoffe, dass du dir das auch noch weiter erhalten kannst, und bedanke mich für das Gespräch.
00:26:18
Speaker 2: Und ich danke dir für die Möglichkeit.
00:26:20
Speaker 1: Wie bist du denn eigentlich zur Psychoneuroimmunologie gekommen?
00:26:28
Speaker 2: Ich hab ja begonnen, Medizin zu studieren und ich war eigentlich immer schon interessiert an Psychologie, im Abitur Kunstleistungskurs gehabt und hab da schon Kunst der Schizophrenie als Hausarbeit oder als Arbeit gehabt, und kann sozusagen zurückblickend sehen, dass da sehr viel Interesse war an Psychologie. Und als ich in der Medizin war, hatte ich so sehr schnell den Eindruck, dass es mir zu technisch und am Menschen vorbei ist, und wollte das kombinieren. Ich würde heute wieder Medizin studieren, keine Frage. Aber ich würde es immer auch wieder kombinieren mit Psychologie. Es ging damals natürlich noch leichter, da sind parallele Studien möglich gewesen. Heute geht es ganz, ganz schwer, weil man sehr verschult ist. In der Medizin, im Studium, es wird immer kürzer, schneller. Deswegen müsste man das sequentiell machen un dnicht parallel. Das ist schwierig, ein Studium noch dranzuhängen. Für mich war das immer die Kür nach der Pflicht. Psychologie habe ich dann weitergetrieben, habe aber auch gemerkt, dass die Psychologie in aller Munde ist, also Mitte der 90er Jahre. Und genau da hatte ich dann auch die Möglichkeit, sozusagen hier etwas zusammenzuführen, was nicht immer schon interessiert hat, dieses Labor aufzubauen und dranzubleiben, hartnäckig voranzutreiben, da was Eigenes daraus zu machen.
00:28:01
Speaker 2: Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, dann schicken Sie mir eine E-Mail unter Podcast@Lanserhof.com. Ansonsten würde ich mich freuen, wenn Sie diesen Podcast abonnieren und/oder Sie mir eine Bewertung hinterlassen. Vielen Dank!